INTELLEKTUELLES
ZURÜCK NACH BUCHTHALEN

Trainingslager 2003 in Cannobio

Ein Augenzeugenbericht

Out-of-body-Erlebnis: Ein Out-of-body-Erlebnis gehört zu jenen spirituellen Spitzenereignissen, mit denen ein gehörig Verjunkter seinen Alltag füllt. Dabei verlässt die Seele den Körper und begibt sich auf abenteuerliche Wanderschaft.
Nichts Geringeres geschah, als an jenem Freitag die Spieler Spartaks das heimatliche Buchthalen, diesen wohlig wärmenden Körper, verliessen, um die rote Linie gen Süden zu überschreiten. Die Buchthaler Seele fühlte sich sofort wohl in der Fremde. Dies kam schon dadurch zum Ausdruck, dass manch ein Genosse, zu Zeiten, als die Sonne längst wieder Marxens Antlitz erleuchtete, lauthals und mit nie erahntem musikalischen Feingefühl zu verstehen gab, dass er vielleicht umsonst gelebt, jedoch kaum umsonst getrunken hatte. Die gute Stimmung gipfelte schon kurz darauf in einem erfolgreichen Jogging, wo die Genossen keine Zweifel ob ihrer Entschlossenheit offen liessen. Manche gönnten sich darauf einen Kaffee. Der geniale Einfall, nach dem Jogging die Speiseröhre mit einem Koffein-haltigen Getränk zu masieren, gehört zu jenen Antworten auf Fragen, die schon etliche Monat vor jedem Trainingslager in den Köpfen der Genossen für Unruhe und Schweiss-durchwachte Nächte sorgen, um sich dann, nach zeitweisem Abtauchen in die Tiefen genösslichen Unbewusstseins, in erstaunlicher Plötzlichkeit, eines Instantkaffees gleichsam, aufzulösen. Solches geschah also an jenem zweiten Tag -einem Samstag- dieser Spartanischen Seelenwanderung.
Am Nachmittag stiessen die Genossen auf den Sandplatz Cannobio vor. Diesmal liess man das Entstehen eingeborener Kapitalistenzellen, bzw. kapitalistischer Eingeborenenzellen, gar nicht erst zu und kontrollierte den Platz zu jeder Zeit. Es wurden rasch zwei Gruppen gebildet, die sich ohne Verzug unter 'friendly fire' nahmen. Kurz: Die Operation verlief reibungslos.
Nach einem obligat sensationellen Abendessen war es dem Trainer beschieden, eine präsediale Rede anzukündigen. Tief berührt gelang es ihm gerade noch, das Bevorstehende in einem Gedicht zu verarbeiten. Zum Glück haust in ihm die Poesie. Kaum auszumahlen, was ihm andernfalls widerfahren wäre. Die Genossen waren gerührt.
Der Präsident indes ging in gewohnt ruhig-bewegter Manier, in tief schürfender Analyse, mit seiner Fähigkeit beispielorientierten Explizierens, der Welt auf den Grund und an den Kragen. Im Geiste liess er die Genossen in der sicheren Arche Spartaks auf einem selig-unseligen Strom aus Bier gefährlichste kapitalistische Felsen und Schnellen erfolgreich umschiffen. Die Genossen waren bewegt.
Schliesslich gab Urs, jener verloren geglaubte Sohn, der nach jahrelanger Odysee, bei der sich nicht wenige Genossen mit dem Eindruck konfrontiert gesehen hatten, er hätte ein Vögeli, endlich wieder ins Boot zurückgefunden hatte, gab also jener Urs unmissverständlich zu verstehen, wie und wo ein richtiges Spartak-Herz schlägt. Trotz der offenkundigen Ausgelassenheit und gelösten Stimmung konnte man da und dort einen Genossen entdecken, Tränen der Ergriffenheit hinunterschluckend.
Beim anschliessenden Wandtafelfussball-Contest konnte sich Brasilien auf eindrückliche Weise für das vorabendliche Tipp-kick-Turnier revanchieren. Damals gewann die Türkei, die allerdings durch gewisse Unregelmässigkeiten rund ums Spielfeld zumindest nicht behindert wurde.
Was sonst noch geschah, das wissen allein die Genossen zu erzählen und allenfalls Karl Marx, dessen Geist dafür bürgt, dass die Seele Spartaks jederzeit zu ihrem Körper zurückfindet...


Thomas Ott

Die Rückkehr zu Spartak (Referat von Urs Vögeli)


Liebe Genossen

Warum will der Vögeli jetzt doch wieder Fusballspielen? Angeblich wegen Zeitmangels, eher aber aus Faulheit habe ich seit dem 07.12.1995 gerade an 2 Trainings teilgenommen - zugegeben keine sehr positive Bilanz, zumal ich ja als Gründungsmitglied in die Spartak-Analen eingegangen bin. Stolz erfüllt uns alle heute noch, dass wir mit der Gründung von Spartak-Buchthalen nicht nur einen Fusballverein, sondern eine Bewegung ins Leben gerufen haben - eine Alternativ-Fusball-Bewegung - die nicht nur der groskapitalistischen, vertechnisierten Plastikwelt amerikanischen Masstabes trotzt, sondern auch unsere Zeitgenossen wie auch die nachfolgenden Generationen daran erinnern soll: Gras ist grün und Sterne sind rot, das Herz schlägt links und Karl Marx lebt.

Da ich eine diskussions- und trinkfreudige Beziehung zu unserem Trainer unterhalte, wurde ich über all die Jahre regelmäsig über das Geschehen bei Spartak informiert. So durfte ich an so manchem Abend in Schäferei, Fass oder Kammgarn von den grosen Erfolgen von Spartak hören, vom grosen Kampfeswillen der Mannschaft aber auch dem Zusammenhalt und der Kollegialität unter den Genossen. Und nicht zuletzt sah ich die Angehörigen der anderen Alternativ-Fusballvereinigungen regelmäsig vor Neid erblassen ob der Innovations- und Tatkraft des grosen Bruders und Vorbilds Spartak-Buchthalen. Mit Sicherheit waren es diese Abende, die mein inneres Feuer für Spartak am Leben erhielten und mich, nach dem ich Jahrelang in allgemeiner Fusballabstinzenz vor mich hingedümpelt bin, nach 14 Jahren im Manor Schaffhausen erneut zum Kauf von ein paar Fusballschuhen bewegten - auf 10% Rabatt beharrend, indem ich der Verkäuferin versicherte, welch grosartige und wichtige Rolle Spartak-Buchthalen in der Schaffhauser Fusballlandschaft einnehme und es mir daher gänzlich unerklärlich sei, warum sie von dieser Institution noch nie etwas gehört habe.

Und dann kam es also, mein zweites Spartaktrainig. Am 16. März 2003 war es soweit. Schande über mich, bereits nach 10 Minuten musste ich wegen allgemeiner Ermüdung aussetzen, worauf mir folgender Reim in den Sinn kam:

Gehst Du am Sonntag mit Spartak trainieren, dann mäsige am Samstag das Trinken von Bieren.

Nur dank der Ermunterung der Mitgenossen wagte ich mich wieder auf den Rasen und trainierte weiter. Noch bis zum darauf folgenden Mittwoch erinnerte mich ein grässlicher Muskelkater an meinen Wiedereinstieg in den Fussballsport. Doch ich will mich nicht beklagen. Ich habe den Weg ans Licht wieder gefunden - das Licht - Spartak-Buchthalen.

Urs Vögeli